SMEKUL-Werkstatt Landtechnik diskutierte innovative Technologieansätze und -lösungen für landwirtschaftliche Sonderkulturen
Auf weniger als zwei Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche werden in Deutschland Obst und Wein angebaut. Bricht man die Werte auf Sachsen herunter, liegen diese Anteile deutlich unter einem Prozent der im Freistaat landwirtschaftlich genutzten Böden. Deren oft kleinteilige Gliederung weist zudem meist schwierige Geländeprofile auf, was die Bewirtschaftung wiederum erschwert. Dabei besitzen diese Regionen neben ihrer ökonomischen und ökologischen Bedeutung ebenso Strahlkraft für den Tourismus im Land. All das waren für das Sächsische Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (SMEKUL), die Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH (WFS) und den Agronym e. V. -Netzwerk für nachhaltige Bioökonomie triftige Gründe, sich in der SMEKUL-Werkstatt Landtechnik am 8. Dezember 2020 erstmals konzentriert dem Thema „Innovative Ideen und Lösungen für den Obst- und Weinbau“ zu widmen.
Neu war in diesem Falle auch das Format der Werkstatt, die Corona-bedingt online stattfand und von Experten aus dem Sitz der Sächsischen Winzergenossenschaft Meissen eG moderiert wurde. Das große Interesse am Thema belegten über 50 Anmeldungen, darunter zahlreiche Anwender, von denen jeweils immer um die 40 Teilnehmer die über den Tag verteilten Vorträge verfolgten und diskutierten.
Der Sächsische Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft, Wolfram Günther, betonte denn auch in seinem Grußwort die Bedeutung von Technologie und Austausch für die Form und vor allem für den Inhalt der Werkstatt. Technologien unterstützen die Landwirtschaft bereits beim nachhaltigen Wirtschaften und tragen zur Verbesserung der Wettbewerbssituation bei. Dafür leistete die Veranstaltung eine gute Vorarbeit, denn die Teilnehmer lernten innovative Ansätze für den Obst- und Weinbau sowie potenzielle Partner dafür kennen, diskutierten mögliche Anwendungswege sowie Ansätze für gemeinsame Projekte.
Steillagenkonflikt mit intelligenter Technik lösen
Situation und Herausforderungen für die sächsischen Winzer schilderten Felix Hößelbarth, Betriebsleiter des Weinguts Hoflößnitz und Vorstandsmitglied des Weinbauverbandes Sachsen, sowie Jürgen Zuschke, Vorstandsmitglied der Winzergenossenschaft Meissen. Jürgen Zuschke vertritt mit seiner 30-jährigen Weinbauerfahrung zugleich die Gruppe der am meisten in Sachsen arbeitenden Winzer – rund 1800 kleine, zumeist Hobby-Weinbauern, welche vor allem für Technik schwer zugängliche, arbeitsintensive Steillagen bewirtschaften. Diese Flächen mit Steigungen über 30 Prozent machen etwa 15 Prozent des rund 500 Hektar umfassenden sächsischen Reblandes aus. Hinzu kommen ca. 40 Prozent Hanglagen mit Steigungen zwischen 10 und 30 Prozent. Die Hang- und Steillagen im Elbtal haben jedoch nicht nur für die Erzeugung qualitativ hochwertiger Weine Bedeutung, sie sind ebenso Teil einer Kulturlandschaft mit großer Anziehungskraft für Touristen aus dem In- und Ausland. Diese Landschaft zu erhalten und gleichzeitig wirtschaftlich und nachhaltig im Weinbau zu arbeiten, ist ein Konflikt, der mit intelligenter Technik gelöst werden muss. Sächsische Winzer arbeiten mit Partnern deshalb an Konzepten zur Optimierung der Steillagenbewirtschaftung. Die behutsame Anpassung des Weinbergs an Technik ist dabei ein Weg. Der Einsatz von Drohnen beim Pflanzenschutz gehört weiterhin dazu, ebenso die Übertragung innovativer Traktorentechnik auf kleine Geräteträger für Pflegearbeiten. Vor allem letzteres sei ein Betätigungsfeld für mittelständische Landtechnikfirmen, da Konzerne kaum in solche Nischen gehen, wurde in der Diskussion deutlich.
Mit der Cloud besser im Weinberg unterwegs
Schlüsseltechnologien wie Digitalisierung, Drohnentechnik und Sensorik können viel beitragen, um Sonderkulturen effizient und nachhaltig zu bewirtschaften. Die Möglichkeiten der Digitalisierung im Weinbau erläuterte Marcel Sambale-Lergenmüller. Aus der eigenen Erfahrung heraus, Wege im Weinberg und damit Arbeitszeit zu optimieren, hat er Vineyard Cloud entwickelt, Software und Firmenname zugleich. Die cloudbasierte Plattform liefert alle notwendigen Informationen in Echtzeit für ein effizientes Arbeiten auf der Rebfläche und ist ein wirksames Instrument für Personalführung und Zeitersparnis.
Pflanzenschutzmittel und Wasser genauer dosieren
Den aktuellen Stand zum Drohneneinsatz im Obst- und Weinbau thematisierte Dr. Rainer Keicher von der Hochschule Geisenheim. Untersuchungen haben gezeigt, dass Pflanzenschutz mit Drohnen gezielter und mit weniger Mitteleinsatz erfolgen kann als mit Hubschraubern. Das vereinfachte Regelwerk werde auch dafür sorgen, dass Drohnen immer mehr Einzug halten in der Agrarpraxis.
Zunehmend Probleme bereiten dem Obst- und Weinbau wie der gesamten Landwirtschaft die trockenen Jahre. Eine präventive Bewässerung von Pflanzenbeständen ist keine Lösung. Wissenschaftler arbeiten deshalb an Verfahren, um Trockenstress früh zu erkennen und zu vermeiden. Dr. Silvia Krug vom Institut für Mikroelektronik- und Mechatronik-Systeme und Rikard Graß vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung stellten die in-situ-Messung des Wasserpotenzials in Pflanze und Boden in Verbindung mit Datensätzen aus Fernerkundung und Wetter-Monitoring als vielversprechendes Verfahren zum Wasserstress-Monitoring vor. Es wird bereits im Weinbau getestet.
Erdwärme für Erdbeeren
Eine bisher wenig genutzte, noch dazu klimaneutrale Ressource in der Landwirtschaft ist die Agrothermie. Dr. Jürgen Kluge vom Agronym-Mitglied Doppelacker GmbH zeigte auf, dass der Boden doppelten Ertrag bringen kann, zum einen durch die Pflanzen, zum anderen durch die Erdwärmenutzung zum Heizen oder Kühlen. Das Unternehmen konzipiert u. a. das Beheizen von Erdbeerkulturen in Gewächshäusern mit Geothermie statt mit Flüssiggasheizung.
Neue Technologien für weniger Handarbeit im Obst- und Weinbau verspricht „ELWOBOT“. Die Abkürzung steht für „Elektrischer Wein- und Obstroboter“ und wird von Forschern des Lehrstuhls für Agrarsystemtechnik der TU Dresden entwickelt. Projektbetreuer Jens Fehrmann stellte die modulare Technologieplattform mit elektrischem Antrieb vor, die bis 2023 zu einer autonom arbeitenden Maschine weiterentwickelt werden soll, die Arbeitsanweisungen in Echtzeit empfängt und an die jeweiligen Umweltbedingungen angepasst ausführen kann. ELWOBOT soll u.a. Pflanzenschutzmittel sprühen, Pflegearbeiten durchführen oder zum Mulchen eingesetzt werden.
Multifunktionale Technik gefragt
Über Erfahrungen mit autonomer und halbautonomer Technik im Obstbau berichtete Christian Kröling vom Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG). Schnitt- und Ausdünnungsarbeiten können heute mit einem relativ hohen Mechanisierungsgrad ausgeführt werden. Automatisierte Systeme befinden sich in der Erprobung. Das trifft ebenso auf Erntevorgänge und Kistenlogistik zu. Lohnenswert sei, die verschiedenen Vorentwicklungen und Prototypen für Schnitt, Ausdünnung und Ernte technologisch zusammenzuführen und multifunktional einzusetzende Gerätesysteme zu schaffen. Flexible Nutzung, hohe Auslastung, niedrige Kosten – das sind generelle Anforderungen der Anwender an die Anbieter. Die Akteure der Landtechnik-Werkstatt werden den gestarteten Dialog fortführen mit dem Ziel, innovative Ideen und Lösungsansätze in die Realität umzusetzen.